Hoyerswerda-Lese

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Der hübsche Bildband von Elmi Junge enthält viele interessante Inforamationen über Hoyerswerda. Er ist im Oberlausitzer Verlag Frank Nürnberger, 02794 Spitzkunnersdorf unter der ISBN 3-933827-38-8 erschienen.
Die letzte Hinrichtung

Die letzte Hinrichtung

Elmi Junge

Ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte von Hoyerswerda wurde von den Lessings geschrieben. Im Jahre 1724 berief die Reichsfürstin Ursula Katharina von Teschen, die von 1705 bis 1737 die Standesherrschaft Hoyerswerda besaß, Theophilus Lessing den Älteren als Schreiber nach Hoyerswerda. Unter der Herrschaft des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. wurde Theophilus Lessing zum Justizamtmann ernannt. Neben der Verwaltung oblag ihm nun auch die Gerichtsbarkeit der Stadt und der Herrschaft. Als Theophilus Lessing der Ältere 1748 verstarb, wurde sein damals erst zwanzigjähriger Sohn, Theophilus der Jüngere, mit der Aufgabe des Justizamtmannes betraut. Während seiner Amtszeit erregte die letzte Hinrichtung in der Standesherrschaft für längere Zeit die Gemüter und ging sogar in die Literatur ein. Aus den schriftlichen Überlieferungen von Theophilus Lessing ergibt sich folgender Sachsverhalt:

Die neunzehnjährige Agnes Hirnascht aus Rachlau musste auf dem Vorwerk in Groß-Särchen als Robotmagd unentgeltliche Dienste leisten. Aus Furcht vor einer Bestrafung wegen eines umgestoßenen Milchtopfes verließ sie heimlich den Dienst beim Vorwerkspächter Hörsteller, der wegen seiner Grausamkeit allgemein bekannt war. Nachdem sie ins Vorwerk zurückgebracht worden war, bezichtigte der Vorwerkspächter sie des Diebstahls und drohte ihr mit dem Strick. Um den Demütigungen, Strafen und Belästigungen ein Ende zu bereiten, zündete sie am 30. August 1768 mit einem glimmenden Lappen den Stall an. Die Flammen breiteten sich schnell aus und vernichteten einen Teil des Vorwerks.

Bei der späteren Vernehmung vor Gericht gestand sie die Tat ehrlich ein und schilderte die grausame Behandlung durch den Vorwerkbesitzer, die sie zu dieser Handlung veranlasst hatte. Die erste Verteidigungsschrift, die beim Schöppenstuhl in Leipzig eingereicht wurde, erbrachte keinen Erfolg. Nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. stand auf vorsätzlicher Brandstiftung der Tod durch Feuer.

Theophilus Lessing der Jüngere erarbeitete daraufhin eine weitere Schutzschrift, in der er unter Hinzuziehung der verschiedensten Auslegungen der Gesetze und der Interpretation der Bibel für eine Milderung der harten Strafe eintrat. Auch ein weiterer Versuch des Justizamtmannes Lessing, seine Mandantin aus den Fängen der grausamen Justiz zu befreien, schlug fehl. Unter Berücksichtigung des kurfürstlichen Feuermandates erreichte er nur, dass das Urteil auf Enthauptung abgeändert wurde. Dem zur Toleranz und Gerechtigkeit erzogenen Lessing widerstrebte dieses Urteil, dennoch musste er sich der Obrigkeit beugen. Am 2. August 1769 sollte auf dem Marktplatz von Hoyerswerda die Vollstreckung des Urteils erfolgen.

Dicht gesäumt vom Spalier der Bürger der Stadt, aber vor allem vieler Bewohner der Dörfer, bewegte sich von der alten Fronveste ein trauriger, aber zugleich auch ein stolzer Zug zum Marktplatz. Als wendische Braut geschmückt, begleitet vom Pfarrer Martin Nuck und Kaplan Georg Büchner aus Wittichenau, schritt das Mädchen zum Markt. Die Zuschauer blickten mit Staunen und Ergriffenheit auf die bewunderungswürdige Schönheit. Auf dem Markt sprach Theophilus Lessing mit ihr und erinnerte an den Brauch, dass man ihr nach alter Sitte das Leben schenken wolle, wenn sie den als ehrlos geltenden Henkersknecht hätte heiraten wollen. Dieser übergab ihr als Zeichen, dass er sie als Lebensgefährtin heimführen wollte, einen Strohkranz. Agnes hatte mit ihrem Leben aber schon abgeschlossen. Sie starb gottergeben und ihr Leichnam wurde in ehrvoller Weise auf dem Kirchhof in Hoyerswerda beerdigt.

Für Theophilus Lessing war der Justizvorgang aber noch nicht beendet. Sein Vetter Gotthold Ephraim Lessing hatte in dem Theaterstück „Nathan der Weise" die Ideale, die sein Vater ihm und auch dem Vetter vermittelt hatte, niedergeschrieben. Nun war er bestrebt, in seinem Amt diese Ideale auch zu verwirklichen.

Der Gang der Agnes Hirnascht war die letzte Hinrichtung in der Standesherrschaft Hoyerswerda, und auf dem Grabstein des Theophilus Lessing war zu lesen:
„Er war ein tätiger, treuer Mann im Amte, ein Menschenfreund - ein wahrer Weiser und ein Christ."

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Text aus: Elmi Junge: Hoyerswerda. Oberlausitzer Verlag Frank Nürnberger.

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