In der gesamten Oberlausitz, vor allem in Hahnewalde, sind die sogenannten Querre, bekannt. Das sind kleine Männchen, die vor allem in Bergen wohnen. So sollen die Männchen in der Oberlausitz in dem Dittersberg, bei Schönau in dem Berg Eigen und im breiten Berg bei Zittau gelebt haben. Auch heute noch sieht man dort angeblich die Querrlöcher, so wurden die Eingänge zu den Wohnungen genannt. Der Berg bei Zittau soll der Ursprung dieser Zwerge sein. Denn dort entspringt der Querrborne, eine klare Quelle, aus der die Querre wie das Wasser herausquollen. Die kleinen Männchen konnten sich mit Nebelkappen unsichtbar machen, was sie vor allem nutzten, um sich bei Bauern Nahrung zu stibitzen. Da sie keinen Kümmel mochten, buken und backen die Leute aus der Oberlausitz noch heute Kümmelkörner in das Brot mit ein.
Anna Hein
Einst kamen die Querre scharenweise aus dem Querrloche am breiten Berge bei Zittau heraus und trieben Kurzweil in den Sträuchern des Berges. Da kam ein Bauer aus Bertsdorf des Weges, dem rief gerade seine Frau zu, er möge sich zu Recht machen und mit ihr auf eine Hochzeit gehen, zu der sie beide eingeladen waren. Als das die Querre hörten, beratschlagten sie unter sich und wurden bald einig, mit den Bauersleuten zur Hochzeit zu gehen und sich einmal auf anderer Leute Unkosten einen guten Tag zu machen. Also rufen sie sich einander zu und ermahnen sich gegenseitig, der Nebelkappen auch ja nicht zu vergessen. Da war aber ein anderer Bauer aus Bertsdorf, der pflügte am Fuße des Berges, hörte wie sich die Querre berieten und rief ihnen im Spaße zu, sie möchten ihm doch auch eine Nebelkappe mitbringen. Da gingen die Querre auf den Spaß ein, gaben ihm eine Nebelkappe, auf dass er ungesehen mit zur Hochzeit gehen könnte, sagten ihm aber, er dürfe zwar essen und trinken so viel ihm beliebte, aber ja von den Speisen nichts zu sich stecken, wenn sie seine guten Freunde bleiben sollten. Also gingen die Zwerge samt dem Bauer nach Bertsdorf zur Hochzeit, stülpten vor dem Dorfe ihre Nebelkappen auf, gingen in das Hochzeitshaus und setzten sich, unsichtbar wie sie waren, mit an den Tisch, also dass immer zwischen zwei gebetenen ein ungebetener Gast zu sitzen kam. Auch der mitgebrachte Bauer saß unsichtbar zu Tische, hieb wacker auf die Speisen ein und ließ sich die guten Gerichte wohl schmecken. Als er nun satt geworden war, da dachte der gute Mann an seine Frau und seine armen Kinder, wie sie daheim saßen und trockenes Brot knabberten, konnte der Lockung nicht widerstehen, griff zu und steckte ein großes Stück Kuchen in seine Tasche, um es den Seinigen mitzubringen. Aber in demselben Augenblicke war auch die Nebelkappe verschwunden, und mit einem Male saß der ungebetene Gast in seinen schlechten Zäkerhosen und seinen gar nicht hochzeitlichen Hemdärmeln vor den sichtlichen Augen der Hochzeitsleute. Da war ein großer Schrecken von beiden Seiten und er musste nun haarklein erzählen, wie er samt den Querren sich eingeschmuggelt hatte. Den Weiblein ward es aber gar unheimlich, da sie von ihrer unsichtbaren Nachbarschaft Kunde erhielten, und Alle wussten nun, wie es zugegangen, dass die Speisen so gar schnell ein Ende genommen hatten. Aber den Bauer behielten sie da und luden ihn auch zu dem folgenden Tage ein. Auch die Querre stellten sich wieder ein, obgleich sie nicht mitgebeten waren. Man sah es aber ganz deutlich wieder an der sichtlichen Abnahme der Speisen.
Quelle: Karl Haupt: Sagenbuch der Lausitz. Gekrönte Preisschrift. Erster Theil: Das Geisterreich. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1862, Nr. 25, S. 30-31.